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Aus Stolberger Nachrichten/Stolberger Volkszeitung

13.04.2021

Führerschein gegen ÖPNV-Tickets

Stolberger SPD will Idee vom Fahrerlaubnis-Eintausch nicht aufgeben. Modell fand im Hauptausschuss keine Mehrheit.

Von Michael Grobusch

Stolberg Im Hauptausschuss der Stadt Stolberg war das Thema schnell erledigt: Die Idee, bei Hinterlegung des Führerscheins den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) kostenlos nutzen zu dürfen, stieß auf wenig Gegenliebe. Lediglich die SPD-Fraktion stimmte für den Antrag, den sie selbst gestellt hatte. Deshalb wurde der Verwaltung kein Auftrag zur weiteren Prüfung erteilt.

Die Bemühungen, den ÖPNV zu stärken und den Individualverkehr zu verringern, sind damit aber nicht beendet. Im Gegenteil: Nahezu alle Fraktionen hatten dieses Ziel vor den Kommunalwahlen im vergangenen September in ihren Programmen festgeschrieben. Das gilt auch für die SPD, die nach Aussage ihres Fraktionsvorsitzenden Martin Peters deshalb auch das von ihr vorgeschlagene Tauschmodell nicht einfach ad acta legen will.

„Ich finde die Idee sehr gut. Vor allem, weil sie in einer bereits laufenden Diskussion noch einmal einen neuen Ansatz bietet.“ Bisher habe es lediglich einen gesellschaftlichen Austausch darüber gegeben, ob Menschen ab einem bestimmten Alter ihre Fahrtüchtigkeit nachweisen müssten oder ihnen stattdessen eher die Möglichkeit geboten werden sollte, denFührerschein gegen ein kostenfreies Ticket für Bus und Bahn einzutauschen. „Unser Modell geht viel weiter, weil es sich auf alle Altersklassen bezieht“, argumentiert Peters.

„An der Realität vorbei“

Bernd Engelhardt kann diesem Argument allerdings nicht folgen. „Es geht an der Realität vorbei“, betont der FDP-Fraktionsvorsitzende, der seit vielen Jahren Polizeibeamter ist. „Selbst wenn ich meinen Führerschein abgebe, habe ich weiter eine gültige Fahrerlaubnis“, gibt Engelhardt zu bedenken. „Bei einer Verkehrskontrolle können das die Kollegen ganz einfach über den Personalausweis feststellen.“ Der Liberale sieht den Tausch von Führerschein gegen ÖPNV-Zugang deshalb nur im höheren Alter als sinnvoll an: „Wenn jemand mit 80 Jahren zum Straßenverkehrsamt geht und seinen Führerschein für immer abgibt, soll er ab dann auch die öffentlichen Verkehrsmittel kostenfrei nutzen können“, findet er. „Alles, was darüber hinausgeht, ist weder praktikabel noch in Stolberg finanzierbar“, verweist Bernd Engelhardt auf die aus seiner Sicht angespannte Haushaltslage und die noch nicht absehbaren finanziellen Folgen der Corona-Pandemie.

Wie der FDP-Fraktionsvorsitzende erinnert auch sein CDU-Kollege Jochen Emonds an einen anderen Ansatz, der bereits im Haushalt für das laufende Jahr Niederschlag finde: „Dort sind 45.000 Euro für die Verbesserung des ÖPNV eingestellt“, erklärt Emonds. „Unser erklärtes

Ziel ist, den City-Tarif auf das gesamte Stadtgebiet auszuweiten und den Fahrpreis von 1,80 Euro auf einen Euro zu senken“, verweist der Christdemokrat auf entsprechende Passagen im Koalitionsvertrag von CDU, Grünen und FDP. Schwierig findet Emonds zudem den Zeitpunkt des SPD-Vorstoßes: „Im Rahmen der Haushaltsberatungen haben die Kollegen den Punkt nicht angemeldet. Jetzt ist der Haushalt beschlossen. Und nach Angaben des Kämmerers bietet er keinerlei Spielraum.“

Auch Dina Graetz verweist darauf, dass die Koalition andere Anreize für eine häufigere Nutzung von Bus und Bahn schaffen will. „Daran arbeiten wir“, versichert die Fraktionsvorsitzende der Grünen. Grundsätzlich finde sie den Vorschlag der SPD gar nicht schlecht. „Aber er ist, was die Zuständigkeit und die Umsetzbarkeit angeht, leider nicht gut genug durchdacht.“

Seine Bedenken macht auch der verkehrspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Günter Blaszczyk, geltend: „Den ÖPNV zu stärken, halte ich für wichtig. Aber das schaffe ich nicht, indem ich einen Führerschein gegen Freitickets eintausche“, ist er überzeugt. Stattdessen müsse es eine generelle Ansage an die Aseag geben. „Busfahren muss deutlich günstiger und das Angebot spürbar verdichtet werden“, fordert der CDU-Politiker.

Mit dieser Forderung stößt er bei Gabi Halili auf offene Ohren. Den SPD-Vorschlag sieht sie allerdings nicht ganz so skeptisch. „Er geht in die richtige Richtung“, findet die Linken- Ratsfrau und kann sich einen Seitenhieb nicht verkneifen: „Wir als Linke sind schon immer für einen kostenlosen öffentlichen Personennahverkehr eingetreten.“ Deshalb begrüße sie auch jede Initiative, die darauf abziele. Aber: „Das Konzept ist nicht ausgewogen und nicht differenziert genug“, bemängelt Halili. Eine ganz wichtige soziale Frage sei nicht berücksichtigt: „Was ist mit den Menschen, die noch nie einen Führerschein besessen haben und deshalb noch viel mehr auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen sind?“

Aus Stolberger Nachrichten/Stolberger Volkszeitung

Ratssitzung in herrschaftlicher Kulisse

Mit Abstand und Mundschutz sind die neu gewählten Mitglieder in Stolberg zum ersten Mal zusammengekommen

Von Caroline Niehus

Stolberg Es hatte beinahe schon etwas Herrschaftliches, als die neu gewählten Mitglieder des Stadtrates zu ihrer konstituierenden Sitzung in Stolberg zusammenkamen. Unter den Kronleuchtern des großen Saals in der Stadthalle standen die Tische mit weitem Abstand, auf den weißen, verschnörkelten Stühlen nahmen die 44 gewählten Ratsvertreter Platz.

Dabei gab es neben den Coronavirus-Maßnahmen weitere Dinge, die in der Vergangenheit so noch nicht stattgefunden hatten: Zum ersten Mal saßen Vertreter von AfD und Mein Stolberg im Gremium, damit waren neun Parteien beziehungsweise Wählergruppen vertreten. Ein weiterer zumindest nicht alltäglicher Punkt: Es wurde kein Bürgermeister vereidigt. Denn Patrick Haas (SPD) war im vergangenen Jahr für gleich sieben Jahre gewählt worden.

Einsatz und Verantwortung

Er ließ es sich trotzdem nicht nehmen, zu Beginn der Legislaturperiode ein Grußwort an die neuen politischen Vertreter zu richten. „Ich kann Ihnen versichern, es werden spannende und wichtige Aufgaben, die viel Motivation und Einsatz von Ihnen verlangen. Aber damit liegt auch große Verantwortung bei Ihnen“, gab Haas, der vor seiner Tätigkeit als Bürgermeister Fraktionsvorsitzender der SPD war, seinen Kollegen mit auf den Weg.

„Die gute
Zusammenarbeit mit
allen Vertreterinnen
und Vertretern steht
sicherlich vor politischen Ränkespielen.“

Patrick Haas, Bürgermeister

Er erinnerte aber auch daran, dass es sich bei der Arbeit im Stadtrat immer noch um ein Ehrenamt handele. Dieses Engagement müsse den Vertretern hoch angerechnet werden. Als Bürgermeister freue er sich auf die kommende Zusammenarbeit. Wohl auch in Richtung der neu gewählten Koalition von CDU, Grünen und FDP fügte er hinzu: „Die gute Zusammenarbeit mit allen Vertreterinnen und Vertreter n steht sicherlich vor politischen Ränkespielen.“

Halili setzt sich von AfD weg

Zu Beginn hatte Gabi Halili (Linke) für eine kurze Unterbrechung gesorgt, als sie einen anderen als den ihr zugewiesenen Sitzplatz forderte. Sie fühlte sich zwischen Hans Wolf von der AfD und Hans Emonds von der UWG politisch nicht passend platziert. Daraufhin wurde kurzerhand ihr Tisch zwei Reihen nach vorne getragen. Dort nahm sie dann am Rand neben Maximilian Möhring (Piraten) Platz.

Aus Stolberger Nachrichten/Stolberger Volkszeitung

Gabi Halili bleibt im Stolberger Stadtrat Einzelkämpferin

Auch nach der Kommunalwahl im September hat die Linke keinen Fraktionsstatus. Die Politikerin versteht sich dennoch als „wirkliche Opposition“.

Von Caroline Niehus

Stolberg Bei der Kommunalwahl am 13. September hat die Linke keinen Fraktionsstatus erlangen können. Gabi Halili sitzt deshalb als einzige Vertreterin ihrer Partei im neuen Stolberger Stadtrat. Entmutigen lassen will sie sich davon nicht. „Ich verstehe mich in erster Hinsicht als wirkliche Opposition“, sagt Halili und fügt hinzu: „Ich versuche, den anderen Parteien auf die Finger zu schauen.“

Die 57-Jährige ist zum zweiten Mal in den Stolberger Stadtrat gewählt worden. Allerdings gibt es im Vergleich zum Beginn der vergangenen Legislaturperiode einen gravierenden Unterschied: Anstatt in einer Fraktion mit zwei Mitgliedern ist Halili jetzt die einzige Ratsvertreterin der Linken. Das wiederum ist für sie nichts Neues: Bereits im Januar 2019 hatte die Linke den Fraktionsstatus verloren, nachdem Nachrückerin Anita Jilk aus der Partei ausgetreten war.

Ein Fraktionsbüro gibt es für Gabi Halili somit auch in Zukunft nicht. „Ich sitze jetzt quasi im Homeoffice an meinem Küchentisch neben dem Drucker“, erzählt sie.

Gespannt auf Koalition

Sie werde sich weiterhin als „soziale Stimme“ in die Politik einbringen und genau darauf achten, wo das Geld hingehe und dass es keine Kürzungen im sozialen Bereich gebe. Das sei gerade in Zeiten des Coronavirus wichtig. Ein weiteres Thema, das auf ihrer Agenda steht, ist die Situation auf der Mühle. „Wir müssen die Menschen mit einem Streetworker erreichen, der auf sie zugeht und mit ihnen spricht“, fordert sie.

Auch die Idee, die Talachse an Sonntagen nur für Fußgänger und Radfahrer zu öffnen, will Halili nach wie vor weiterverfolgen. Bisher habe sie daran gemeinsam mit den Grünen gearbeitet. Die sind allerdings jetzt von der Opposition in die Koalition gewechselt und arbeiten dort mit CDU und FDP zusammen. „Das hat mich schon sehr verwundert“, gibt Halili zu. Sie sei gespannt, inwieweit die Grünen in dieser Konstellation ihre umwelttechnischen Ziele durchbringen können.

Insgesamt stehe sie der neuen Koalition aber offen gegen über. „Dieses Dreiergespann wird versuchen, gut zusammenzuarbeiten.“ Die SPD würden sie sicherlich auch nicht ganz außen vor lassen, ist Halili überzeugt. Es werde spannend zu sehen, wie sich die neuen Mehrheitsverhältnisse auf Stolberg auswirken. „Es muss künftig noch mehr Kompromisse geben“, prognostiziert die 57-Jährige.

Sie selbst will ihrer Linie treu bleiben und je nach Antrag beziehungsweise Sachverhalt entscheiden. „Ich habe ja kein Interesse daran, alles von anderen abzublocken .“ Sie werde allem, was für die Stolberger Bürger in ihren Augen sinnvoll erscheint, zustimmen. Dass diese Ideen in Zukunft von insgesamt neun Parteien und Wählergemeinschaften kommenkönnen statt wie zuletzt von sechs, hält Halili grundsätzlich für positiv. „Es ist ja demokratischer, wenn mehrere Fraktionen und Einzelvertreter mitspielen, aber die Entscheidungsfindung könnte dadurch auch langwieriger werden.“

Keine leichte Aufgabe

Trotz ihrer Rolle der Einzelkämpferin möchte Gabi Halili sich in den kommenden fünf Jahren weiter merklich einbringen. Ihre eigene Rolle in der Opposition beschreibt sie lachend mit „rigoros und temperamentvoll“.

Diese Eigenschaften wird sie brauchen, um auch ohne Fraktion im Rücken wahrgenommen zu werden. Für Halili zwar keine leichte Aufgabe, aber: „Ich nehme diese Herausforderung an – und vor allem sehr ernst.“