Haushaltsrede 2017
Quo vadis
Wir schauen auf ein sehr bewegtes Jahr zurück und in eine nicht so deutliche Zukunft, die durchaus auch für unsere Stadt Auswirkungen haben wird.
Die Landtagswahl hat einen Wechsel herbei geführt und wie es auf der Bundesebene weiter gehen wird ist auch mehr als fraglich.
Aber eins gilt sowohl an die Bundesregierung und auch der Landesregierung, unabhängig welcher Farbenlehre
"Die Kommunen benötigen nicht noch mehr befristete Sonderprogramme. Vielmehr wollen sie sich dauerhaft darauf verlassen können, dass sie auch zukünftig ausreichend finanzielle Mittel für wichtige Investitionen haben. Die bessere Alternative liegt in einer auf Dauer angelegten kommunal freundlichen Politik, die anstelle einer Vielzahl von befristeten Einzelprogrammen die Finanzströme im kommunalen Interesse dauerhaft ändert.
Die wachsenden kommunalen Haushaltsrisiken, vor allem wegen der steigenden Sozialausgaben, des Investitionsrückstandes und des erheblichen Zinsrisikos bereiten vielen Städten und Gemeinden große Sorgen. Nur die derzeit noch gute konjunkturelle Lage und prosperierende Steuereinnahmen lässt im Saldo ein gutes Bild entstehen.
Und sollte sich die wirtschaftliche Lage wieder verschlechtern oder ein Zinsanstieg ergeben, werden viele Kommunen wieder tiefrote Zahlen schreiben. Die Prognose der Entwicklung des Zuweisungsvolumens unterliegt dabei aktuellen und allgemeinen Unsicherheiten bzw. Risiken.
Allgemein ist erstens zu hinterfragen, ob die bislang teilweise sehr ambitioniert wirkenden Sanierungspläne in den Ländern zur Umsetzung der Schuldenbremse nicht zu zusätzlichen Einschnitten in den kommunalen Finanzausgleichssystemen verführen können.
Zweitens ist aufgrund der engen Verflechtung zwischen den Steuereinnahmen der Länder und den Zuweisungen an die Kommunen (Verbundquote) jede Reduktion des Länderanteils an der Einkommensteuer durch Steuerrechtsänderungen mit Einnahmeausfällen bei den Kommunen verbunden. Daher stellen die verschiedentlich diskutierten Steuersenkungspläne eine doppelte Gefahr für die kommunalen Haushalte dar: Die Kommunen wären im Falle ausbleibender Kompensation nicht nur von direkten Einnahmeausfällen z.B. beim Gemeindeanteil an der Einkommensteuer betroffen, sondern auch indirekt aufgrund reduzierter Zuweisungen seitens der Länder.
Drittens besteht das Risiko, dass öffentlichkeitswirksam herausgestellten Steigerungen bei einzelnen Zuweisungsarten Kürzungen bei anderen Länderzuweisungen, die weniger im Fokus der Öffentlichkeit stehen, gegenüberstehen können."
Dies sind Aussagen von Vertretern des Deutschen Städte- und Gemeindebundes und Kreistages u.a. von dem Hauptgeschäftsführer, des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Dr. Gerd Landsberg.
Dabei sind Gelder ausreichend vorhanden, siehe Panama Papers, Paradis Papers. Oder beim Diesel-Skandal können die Betrüger ihren Schaden von der Steuer absetzen und Siemens will mal rasch einige tausend Arbeitsplätze abbauen, damit die Gewinne für die Aktionäre auch weiterhin üppig sprudeln.
Es muss keine veramten Kommunen geben. Nur Reiche können sich arme Kommunen leisten.
Immer wieder betonte ich diesen Zusammenhang das Spiel der einzelnen Ebenen, und dies sind ja ihre Vertreterinnen und Vertreter meine Damen und Herrn von CDU; FDP; GRÜNE und SPD, die maßgebliche Entscheidungen treffen, die Auswirkungen hier vor Ort haben.
Komme ich nun zum vorliegenden Haushalt und dessen Beratung.
Nun ist es nichts Neues, dass zu einem verantwortungsvollen wirtschaftlichen Handeln die Notwendigkeit gehört, nicht mehr auszugeben als man einnimmt. Aber dieses Leitmotiv gilt nur für die Situation, bei der man seine Einnahmen tatsächlich kennt und danach seine Ausgabenhöhe bestimmen kann.
Der vorliegende Haushalt hat diesem Rechnung getragen und der Kämmerer hat sehr umsichtig auf mögliche Riskiken aufmerksam gemacht. Das wir jetzt doch sehr deutlich aus dem Haushaltssicherungskonzept heraus gehen ist bedingt den Kürzungen zuverdanken - nicht dem Sparen - und kann sich sehr schnell wieder zu unseren Ungunsten verschieben. Und dies nicht, weil hier über die Verhältnisse gelebt wurde oder der Kämmerer sich verzockt hat. So könnten wir durchaus dem vorliegendem Haushalt zu Gunsten des Kämmeres zu stimmen.
Doch dies ist nur die eine Seite, ansonsten könnte wir uns die ja teilweise emotionalen Diskussionen sparen und einfach den Vorgaben der Verwaltung folgen. Das eine Ratsmehrheit ihre Mehrheit zur Gestaltung nach ihren Vorstellungen nutzt ist verständlich, dafür haben sie im Wahlkampf geworben und entspechend das Mandat erhalten. Reflexartig zurück zu zucken, wenn Vorschläge aus Reihen der Opposition kommen ist daher nicht vertrauensbildend und lässt die Bereitschaft schwinden dem Haushalt zu zustimmen.
An einigen Beispielen möchte ich aufzeigen, was wir erwarten, damit wir auch dem Haushalt zustimmen könnten. Komme ich einmal auf das Ziel Eschweiler als nachhaltige Kommune zu entwickeln. Dies ist weniger ein Wunsch als die zwingende Notwendigkeit. Neben wir als Beispiel das Mobiltätskonzept und seine Zielrichtung, wie wir es sehen und angehen wollen. Vorsichtig wurde schon mal hingewiesen bei einer Parkraumbewirtschaftung, das es durchaus möglich ist, das weniger Parkplätze in Teile entstehen könnten. Nein, es muss die klare Aussage erfolgen "Wir wollen für die Menschen in Eschweiler eine bestmögliche Mobilität" und dazu gehört den Induvidualverkehr mittels PKW weitgehenst aus der Innenstadt herauszuhalten. Doch dafür müssen die Alternativen geschaffen werden, die dies ermöglichen. Nette Fahrradwege in den Stadtteilen und schöne Ausflugsrouten sind ja ganz fein, verfehlen aber eindeutig das Ziel. Hier gilt es sich eindeutig zu positionieren: Vorrang für Fahrrad und Fußgänger vor dem ÖPNV und dann erst der PKW-Verkehr. Es gilt nicht eine Gruppe gegen die andere auszuspielen, sondern für eine lebenswerte Stadt und die größtmöglichste Mobiltät für seine Bewohner Sorge zu tragen. Uns fehlt hier noch die klare und eindeutige Ansage.
Wie wichtig Mobiltät für die Menschen ist konnten wir erleben wie die Landesregierung kaltherzig meinte kurz mal die Zuschüsse zum Mobiltätsticket einstellen zu können.
Das langfristige Ziel sollte ein fahrscheinloser ÖPNV sein, dafür muss jedoch das Angebot deutlich verbessert werden.
Wenigstens wurde erkannt, sich im Bereich Stadtgrün einmal genauer die Möglichkeiten anzusehen, sei es Dachbegrünung, Fassadenbegrünung oder Urban Gardening. Ein Wermutstropfen bleibt jedoch, ohne Fördermittel wird dies kaum möglich sein.
Genauso hinsichtlich der erneuerbaren Energie. Die mit "Augenmerk" betriebene Taktik ist nicht mehr als ein ängstliches Zaudern. Uns dann vorwerfen, wir wollen "nur" die Arbeitsplätze vernichten, verdeutlicht vielmehr ihre Hilflosigkeit. Wenn ich einen Strukturwandel schaffen will, und wir sind ständig in diesem Wandel, muss die Möglichkeit der Erneuerung gegeben sein, aber auch der Druck zur Erneuerung.
Wir wollen, das auch nach einer Schließung des Kohlekraftwerkes die Menschen einen gut bezahlbaren Job finden, von dem sie und ihre Familien leben können. Nicht wie die geschönten Arbeitsmarktzahlen vorgauckeln "noch nie waren soviele Beschäftigt wie heute". Es haben auch noch nie soviele nicht von ihrer Arbeit leben können. Auch dies belastet die Sozialausgaben in unserer Stadt.
Das Menschenrecht auf Wohnen fordert die hinreichende Verfügbarkeit und den Schutz angemessenen Wohnraums, einen offenen, diskriminierungsfreien und bezahlbaren Zugang zu Wohnraum sowie eine menschenwürdige Wohnqualität und Wohnlage.
Ebenso wie andere soziale Menschenrechte stellt es keine Maximalforderungen auf, sondern formuliert Mindestgarantien für ein menschenwürdiges Leben, welche die Staaten zu achten, zu schützen und zu gewährleisten haben. Dabei ist eine sichere, angemessene und dauerhaft finanzierbare Wohnung eine unabdingbare Voraussetzung für ein menschenwürdiges Leben. Dies ist als Teil des Rechts auf einen angemessen Lebensstandard fest verankert in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 und in dem von Deutschland ratifizierten UN-Sozialpakt von 1966 (seit 1976 in Kraft).
Das es nicht ausreichend bezahlbaren Wohnraum, auch in Eschweiler gibt, wird nicht in Frage gestellt. Nach dem qualifizierten Mietspiegel der Städteregion für Leistungsbezieher und nicht nur für diese, ist es so gut wie kaum möglich eine Wohnung zu finden. Ich wiederhole die Forderung verstärkt in dem Wohnungsbau Seitens der Stadt zu investieren. A: um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen und den Druck aus dem Wohnungsmarkt zu nehmen. B: mit eigenem Immobilienbestand, der Positiv im Haushalt als Wert steht, können Einnahmen erzielt werden, die langfristig auch eine gewisse Stabilisierung des Haushaltes ermöglichen. In einer Phase der Niedrigzinsen diese Möglichkeit nicht zuergreifen wäre törricht.
Mit den Neuen Höfen Dürwiß haben wir ein Projekt hinsichtlich ressourcensparendes Bauen auf dem Weg gebracht. Lassen sie uns Eschweiler auch im barrierenfreien Bauen Vorreiter werden. Barrierefreiheit muss immer selbstverständlicher werden. Etwa 10 Prozent der Bevölkerung sind auf Barrierefreiheit zwingend angewiesen, 30 bis 40 Prozent benötigen Barrierefreiheit als grundlegende Hilfe im alltäglichen Leben, und für Alle ist Barrierefreiheit einfach komfortabel. Wichtig ist deshalb eine gebaute Umgebung ohne Hindernisse – beginnend beim Städtebau über den öffentlichen Verkehrsraum bis hin zu den staatlichen Bauten und dem Wohnungsbau – in der sich alle Menschen möglichst sicher und selbstständig bewegen und orientieren können. Es sollte eine Selbstverständlichkeit werden ressourcensparend und barrierefrei zu bauen für alle.
In die Digitalisierung der Schulen wird jetzt investiert, eine Koordinationsstelle für wichtige Digitalisierungs-Aufgaben eingerichtet, auch wenn die Verwaltung das Aufgabenfeld noch nicht umschreiben konnte. Einen Medienpädagoge, den sowohl die Schulen wie Bibliothek und VHS gut gebrauchen könnten wird vorerst nicht eingestellt. Was nützt es einem das Feuer zu geben, aber nicht zu lehren damit umzugehen. Wir sind optimistisch, das die Notwendikeit eines Medienpädagogen auch von der Mehrheit demnächst gesehen wird.
Komme ich auf den Eingangs erwähnten Hinweis der Notwendigkeit eines verantwortungsvollen wirtschaftlichen Handelns. Soll in einer Phase unkalkulierbarer Riskien mal rasch Symbolhaft kommunale Steuern gesenket werden und wenns wieder kritisch wird erhöht, spricht dies mitnichten von verantwortungsvollem Handeln. Soll eine Entlastung erfolgen kann dies nicht nach dem Gieskannenprinzip geschehen. Senkung oder gleich die Abschaffung der Hundesteuer wäre hier eine sinnvollere Maßnahme, insbesondere bei vielen ältern und einsamen Menschen ist der Hund Sozialkontakt und dies würde sich im Portmonee bemerkbar machen. Oder es wird in den ÖPNV investiert, nicht in Busse, sondern die Stadt bietet vergünstigte Tickets an wie sie in Form des Mobiltickets oder Jobtickets möglich sind. Sicherlich wird dann nicht jeder entlastet, dafür Einzelne aber sinnvoll. Für 67 Cent im Monat ist noch nicht einmal ein Kaffee drin.
Der demnächst vorliegende Sozialbericht wird uns sicherlich entsprechende Handlungsfelder aufzeigen.
Was macht die Qualität einer Kommune aus? Es sind dies Sporteinrichtungen, Vereine, die öffentliche Bibliothek oder das Schwimmbad, kulturelle Veranstaltungen, Jugendarbeit, eine gute Infrastruktur, diese Dinge machen erst die Lebens- und Bildungsqualität einer jeden Stadt aus. Immerhin wurde dem Antrag zur Erhöhung der Bibliothek überraschenderweise im ursprünglichen Sinne 1 Euro pro Einwohner stattgegeben. Daneben haben wir eine mehr als bescheidene Erhöhung für kulturelle Aktivitäten beantragt und mussten wie es sehr schön in der Presse stand "...die Erkenntnis, das die Fraktionen zwar in mancher Hinsicht die gleichen Ziele zum Wohl der Stadt verfolgen, aber in Sachen Antragstellung und Realisierung die harte Sprache der Rats-Mehrheit gesprochen wird" zu spüren bekommen.
Diese Haltung ist nicht vertrauensbildend und zwingt uns den Haushalt abzulehnen.
»Es setzen sich nur so viel Wahrheiten durch, als wir durchsetzen; der Sieg der Vernunft kann nur der Sieg der Vernünftigen sein«
(Bertolt Brecht).
Albert Borchardt
Fraktionsvorsitzender DIE LINKE & Piratenpartei
13.12.2017
Es gilt das gesprochene Wort